Es gibt viele organisatorische Zwänge, Mitarbeiter in andere Abteilungen zu versetzen. Und für das Management ist es wichtig, schnelle und zahlenorientierte Entscheidungen zu treffen. Was es aber an der Basis bedeutet, wenn Kollegen nicht talentbasiert eingesetzt werden, drückt sich in vermehrtem Konfliktpotential, mangelnder Effektivität und mehr Sand im Getriebe für alle Beteiligten aus. Ein Beispiel: Eigentlich war es ein Kommunikationstraining mit dem Titel „Feedback & Wirkung“. Eine Teilnehmerin wollte im Seminar ein Feedback an einen Kollegen üben, der einen aus ihrer Sicht sehr wenig kundenorientierten Brief formuliert hatte. Der Adressat des Briefes war als Interessent für ein neues Girokonto angeschrieben worden. Als Reaktion hat er sich aber beschwert, dass vor 11 Jahren bei dem Versuch von seiner Seite, ein Girokonto bei genau dieser Bank zu eröffnen, alles schief gelaufen war und er durch Verschulden der Bank dort kein Kunde geworden ist. Die Antwort des Kollegen auf diese Beschwerde war ein aussagekräftiger Brief an den ehemaligen Interessenten, in dem alle Vorteile des wirklich guten Angebots für ein Girokonto ausführlichst erklärt wurden – nur leider keine Zeile zu der vorausgehenden Beschwerde. Dazu kann jetzt sicherlich ein kollegiales Feedback-Gespräch formuliert werden – die Ursachen für diesen Konflikt, der sich hier anbahnt: „Wie kann man nur so wenig kundenorientiert formulieren, er muss doch wissen, dass er damit die Situation nur noch schlimmer macht.“ liegen allerdings woanders. Im Dialog mit der Teilnehmerin stellt sich heraus, dass der Kollege aus der Controlling-Abteilung ins Beschwerdemanagement versetzt wurde. Quantitativ und fachlich gesehen macht er einen hervorragenden Job: Er arbeitet viel ab, seine Aussagen Kunden gegenüber sind sehr fundiert und seine Ausführungen über die Vorzüge des Girokontos könnten als Druckvorlage für Marketing verwendet werden. Kein Händchen aber hat er für die Emotionen der reklamierenden Kunden, er versteht nicht, wie man sich so aufregen kann und er kann nicht nachvollziehen, wie man sich an so eine Lappalie von vor 11 Jahren überhaupt noch erinnert – das würde ihm ja nie passieren: Das wird abgehakt und im nächsten Anlauf nach dem besten Girokonto mit den besten Konditionen geschaut. Wir sind überzeugt von der Wirkung eines guten Feedbacks; noch überzeugter aber sind wir davon, dass Mitarbeiter optimal nach ihren Talenten eingesetzt werden sollen. Es kann nicht jeder alles und ein guter Controller hat andere Qualitäten als ein guter Kundenbetreuer. Feedback kann immer da am leichtesten angenommen werden und wirken, wo wir in uns gut mit unseren Stärken eingesetzt fühlen und in der Lage sind, unser Verhalten in einem Kontext zu optimieren, der uns liegt und in dem wir fast spielerisch in der Lage sind, aus einem konstruktiven Feedback heraus uns weiter zu entwickeln. Unser „Controller“ wird sich aber schwer tun mit dem Feedback – egal wie gut es formuliert wird: Er arbeitet in einem Thema, das ihm nicht leicht von der Hand geht, ihm ist nicht klar, wie sehr Emotionen eine Kaufentscheidung beeinflussen und er fühlt sich zu tiefst verunsichert, wenn sein wirklich brilliant formulierter Brief an den Interessenten kritisiert wird. Um so schwieriger ist es für die Kollegin, die ihn einarbeiten soll: Für sie ist Kundenorientierung die einfachste Sache der Welt, Empathie ist quasi ihr „zweiter Vorname“ und sie versteht nicht, wie man um Himmels willen so einen nüchternen Brief an einen Interessenten schreiben kann, bei dem vor 11 Jahren wirklich etwas schief gelaufen ist. Ja, wir können ein Feedback-Gespräch formulieren, und das haben wir auch getan. Aber die Ursache für diese Situation, dass der Kollege in einem Thema arbeitet, das ihm nicht wirklich liegt, haben wir damit nicht gelöst. Die Einarbeitung des Kollegen wird mühseliger sein, mehr Anstrengung kosten und länger dauern als bei Kollegen, die ein Talent für das Thema Beziehungsmanagement haben. Es wird mehr negatives Feedback an ihn geben und mehr Unverständnis für jeweils den anderen: „Jetzt bist du wieder nicht auf den emotionalen Hintergrund der Beschwerde eingegangen.“ „Ich weiß gar nicht, was du hast: Der Brief ist doch astrein formuliert.“ Deshalb lohnt es sich im Interesse aller, ein wenig Zeit und Know-how in die Frage zu investieren, wo Mitarbeiter mit ihren entsprechenden Talenten die größte Wirkung entfalten können – und dort auch leichter Feedback annehmen. |
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